Das Petrusfenster

 

Das große Glasfenster im Chorraum, das den sinkenden Petrus zeigt, der von Jesus gerettet wird (Mt 14,30-31) wurde 1961 von dem Heidelberger Künstler Willy Oeser (1897-1966) geschaffen. Es gehört somit zu seinen späten Werken.

 

Er schreibt über sein Werk:

Das Glasfenster ist wieder ein wirkungsvoller Bestandteil der kirchlichen Architektur geworden. Jahrhunderte wenig beachtet, war es besonders noch in seiner materialgerechten Behandlung verkannt. Das Glasfenster ist für den Raum „Wand". Es hängt genauso von den Raumgegebenheiten ab, wie es die Raumstimmung mit schafft. Von dem Licht aus dem All erweckt, von der Sonne durchglüht, strahlt es in einem imaginären Glanz. Sinngemäß hat es dadurch seine besondere Bedeutung für die Kirche, für das Imaginäre und Transzendente gewonnen. Die Heilige Schrift spart nicht bei überirdischen Geschehnissen mit der Schilderung der farbigen Erscheinung. Mit Wucht und Gewalt bricht sie herein. Und wenn wir dabei mit unseren farbigen Erfahrungen bescheiden bleiben, tun wir gut daran.

 

Ein amerikanischer Pilot hat in gewaltiger Höhe einen Sonnenaufgang erlebt. Er vermochte, die unerhört großartigen Farben nicht auf seinen Farbfilm zu bannen. Wir können heute in eine Fülle von Farbtönen der Gläser greifen, wenn wir ein Fenster „aufbauen", anders als die alten Meister, die mit manchem Trick oft ihren Mangel an Farben überdecken wollten. Unsere Gläser sind sehr wertvoll. Wer mit ihnen arbeitet und nicht nur - vielleicht in Romantik verstrickt - darüber redet, kann unseren Gewinn begreifen.

 

Das Glasfenster besteht aus Glasteilen und aus einer Bleistruktur. Im Borkumer Fenster sind - wie in allen meinen Glasarbeiten - die Gläser nicht mit schwarzen Farben bearbeitet. Lediglich Mund und Augen sind gemalt, damit z. B. bei den Augen die leicht mögliche Wirkung einer Brille bei der Verbleiung vermieden bleibt. Die Farben wirken rein und ursprünglich. Die Patina entsteht  natürlich durch atmosphärische Einwirkung, in Städten mit Industrie natürlich schneller und heftiger. Das Borkumer Fenster steht vor dem klaren Himmel. Nichts stört die reine Durchsicht. Die Farbwirkung des Fensters ist auch dem Wandel des Lichts unterworfen. Nebel z. B. gibt ihm ein schönes Leuchten, zumal wenn in ihm verschleiert die Sonne durchdringt.

 

Der Bleistruktur fallen verschiedene Aufgaben zu: sie muss die einzelnen Glasteile, die nach dem Karton mosaikartig geschnitten werden, zusammenhalten. Andererseits wird durch die Bleistruktur auch das Bild selbst zur Sprache gebracht, wird sein Inhalt in „Linien" gezeichnet. So unter liegt die Struktur, die Bildzeichnung, eben auch mancherlei materialgerechten Forderungen. Kunst und Handwerk sind hier eindeutig verflochten. Der Künstler kann ohne das Gefühl für die „bauliche" Struktur des Glasfensters nicht auskommen. Malt er erst ein Bild und zieht dann durch dieses Bild Bleilinien, so ist damit wohl das der Glasfensterkunst Abträglichste getan. Auch auf eine Glasscheibe gemalte Bilder entsprechen nicht mehr unserem Einblick in die technischen und aus dem Material erwachsenen Notwendigkeiten und Gegebenheiten. Das Glasfenster ist eben Bauglied und kein Ausstattungsstück.

 

Inhaltlich bietet sich das Glasfenster imaginärem Geschehen natürlich an. Wir haben in unserem Fenster den Herrn im Licht des frühen Morgens, fast gespenstisch, wie die Schrift sagt. Die Zeichen der aufgehenden Sonne umstrahlen sein Angesicht. Stark betont ist sein Arm, der ganz gerade „ausgestreckt" ist. Er steht im Raum wie ein Anker. An ihm hält sich Petrus, nun geborgen, die andere Hand noch in der Gebärde des Hilfeheischens. Langsam glätten sich die Wogen, noch im Wirbel eines Sogs, der Petrus erfassen wollte.

 

Das Gesicht des Petrus ist voll des Glückes der Geborgenheit, nicht aber ganz ohne Spuren der erlittenen Not.

 

Das Antlitz des Herrn, vom Hauch des Überirdischen gezeichnet, voll Güte und Gnade, aber auch mit einem leicht anklingenden Zug leiser Ironie im Anblick der schnellen Hinfälligkeit des Menschen.

 

Dieses sind nur einige Gedanken, aus der Heiligen Schrift geschöpft, die die Phantasie des Künstlers beflügelt, aber auch zu Demut zwingt und vor törichten Experimenten bewahrt.